Inhalt - ZEDER - Zeichen der Erinnerung

ZEDER – Das Berner «Zeichen der Erinnerung» in der Gemeinde Muri bei Bern

Veranstaltungen in Muri bei Bern

Vom 21. August bis zum 22. September 2023 werden im Garten des Alten Pfarrhauses in Muri b. Bern 20 Plakate zum Thema ZEDER - "Zeichen der Erinnerung" - ausgestellt.

Am Freitag, 10. November, um 19.30 Uhr wird im Kirchgemeindehaus Muri b. Bern ein Gedenkanlass stattfinden. Eröffnet wird der Abend mit einem ca. 20-minütigen Referat von Dr. theol. Simon Hofstetter von der Uni Bern über die "reformierte Beteiligung in der Praxis fürsorgerischer Zwangsmassnahmen". Anschliessend wird der Film "Der Verdinger" gezeigt.

Weitere Informationen entnehmen sie dem lokalen Anzeiger (LoNa).

Hintergründe zum Thema

Gegen das Vergessen

Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten
(August Bebel)

In enger Zusammenarbeit mit Gemeinden, Schulbehörden, kirchlichen Organisationen und im Dialog mit Betroffenen und Opfern erinnert der Kanton Bern an die Zeit fürsorgerischer Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen. Das Berner «Zeichen der Erinnerung» wird am 25. Mai 2023 lanciert. Auch die Gemeinde Muri bei Bern macht mit.


Mehr als 2000 Heim- und Verdingkinder, administrativ Versorgte, Zwangssterilisierte, Zwangsadoptierte, Psychiatrieopfer und Kinder von Fahrenden leben allein im Kanton Bern noch heute. Zehntausende, deren Schicksal in keiner Chronik, deren Leiden in keinem Lebenslauf Erwähnung fand und findet, sind bereits tot. Die schiere Menge an Betroffenen macht deutlich: Die Praxis der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen im 19. und 20. Jahrhundert ist ein ausgesprochen dunkles Kapitel der jüngeren Schweizer Geschichte.

Bern als Armuts- und Bauernstaat

Der Grund für das im Kanton Bern während weit über hundert Jahren verbreitete Verdingwesen lag in der damaligen ausgesprochenen Armuts- und Bauerngesellschaft. Mädchen und Knaben aus kinderreichen, teilweise bitterarmen Verhältnissen – für welche die Gemeinden seit der Reformation finanziell zu sorgen hatten – sollten als arbeitsame Leihgaben dort aus- und mithelfen, wo in Haus und Hof die tägliche Arbeit ohne Knechte und Mägde nicht bewältigbar war. Dass man dafür blutjunge Kinder einsetzte, schien nicht weiter zu kümmern. Aus Sicht der Behörden wurden damit viel mehr zwei Probleme mit einem Streich gelöst.


Traumatische Geschichten
Es war nicht so, dass allen Betroffenen schweres Leid und Unrecht zugefügt wurde. Und doch: Eine grosse Mehrheit der verdingten und fremdplatzierten Mädchen und Knaben wurde nachhaltig traumatisiert: Verachtung, Ausgrenzung, Ausbeutung, Willkür, massiver Beeinträchtigung physischer und psychischer Integrität bis hin zu schweren sexuellen Übergriffen. Und vergessen wir nicht: Verlassenheitsgefühle, plötzliche und unerwartete Entwurzelung, Einsamkeit und Verlorenheit in jeder Hinsicht haben auch in jenen Fällen zutiefst erschütternde Auswirkungen auf ein Leben, wo das Verdingkind am Ort seiner Fremdplatzierung eine einigermassen menschenwürdige Aufnahme fand.


Zwischen Gleichgültigkeit und Überforderung
Vermittelnde Behörden, einweisende Ämter, Vormünder und auch die Pflegefamilien waren von der Verdingsituation, später auch von der Fremdplatzierung in Heimen und Klöstern oder der Versorgung insbesondere junger Frauen in Haftanstalten, ohne dass dafür ein Urteil vorgelegen wäre, meistens komplett überfordert. Es war eine heute kaum nachvollziehbare Gleichgültigkeit, ein möglicherweise gelegentlich aus Scham, oftmals vor allem aber aus wirtschaftlichem Profitdenken geborenes Desinteresse, das die Körper und Seelen junger Menschen ihrem Schicksal überliess.


Ein «Zeichen der Erinnerung»
Im Artikel 16 des am 1. April 2017 in Kraft gesetzten AFZFG steht: «Der Bund setzt sich dafür ein, dass die Kantone Zeichen der Erinnerung schaffen.» Eine von Grossrat Hervé Gullotti eingereichte Motion beauftragt den Kanton Bern, einen Gedächtnisort für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen zu schaffen. Sie wurde am 26.November 2019 mit einem überwältigenden Mehr von 131 zu 9 Stimmen bei 7 Enthaltungen als Postulat angenommen. Der Regierungsrat übertrug in der Folge der Staatskanzlei den Auftrag, einen Vorschlag für ein Berner «Zeichen der Erinnerung» zu entwickeln.

Wirkung im ganzen Kanton

In zahlreichen Gesprächen und Diskussionen in Gemeindesälen und Sitzungszimmern quer durch den ganzen Kanton machte die Projektleitung deutlich, dass es bei ZEDER nicht darum geht, Schuld zuzuweisen. Vielmehr will das Projekt gerade für junge Leute Geschichte als Fundus zum Lernen für die Zukunft begreifen. Das Berner ‘Zeichen der Erinnerung’ will mit emotionaler Ansprache den Nährboden für Aufklärung stärken, Anteil am Schicksal von Betroffenen und Opfern nehmen und Wirkung im ganzen Kantonsgebiet entfalten.


Das Engagement von Zentrumsgemeinden
Anfänglich ging die Projektgruppe davon aus, dass sich 50 bis 60 Gemeinden am Berner «Zeichen der Erinnerung» beteiligen werden. Der Hauptgrund für diese eher zurückhaltende Annahme lag darin, dass es im Kanton Bern Dutzende von Klein- und Kleinstgemeinden gibt, denen mit Blick auf ihre ressourcenabhängigen Möglichkeiten das Engagement für ein «Zeichen der Erinnerung» möglicherweise nicht leicht fallen dürfte. Umso erfreulicher zu sehen war, dass einzelne Zentrumsgemeinden in ihrem Umland mit kleinen Gemeinwesen Kooperationen anstrebten, um nun ein Zeichen gemeinsam zu setzten.

Mehr als 100 Gemeinden machen mit

Aktuell sind es rund 166 Gemeinden und Kirchgemeinden, die sich für eine Teilnahme am Berner «Zeichen der Erinnerung» entschieden haben. Damit erreicht das Projekt über 70 Prozent der Berner Bevölkerung. Auch die Gemeinde Muri bei Bern macht mit einem vielseitigen Programm zum Thema (siehe Kasten) beim Berner «Zeichen der Erinnerung» mit.